Podcast Hinterbühne Folge 34 - Transkript

Podcast »Hinterbühne« #34

Transkript

Intro:

Hinterbühne, der Podcast des Theaters Ulm, mit Gesprächen irgendwo zwischen Foyer, Rang, Podium und hinter der Bühne.

Christian Stolz:

Herzlich willkommen zu einer neuen Folge des Theaterpodcasts, der 1. Folge in der Spielzeit 202526 Und jetzt wäre Trommelwirbel passend, denn wir haben etwas Neues mit dem Podcast vor. Es war mir eine riesige Freude, in den vergangenen Folgen mit ganz vielen unterschiedlichen Menschen am Theater zu sprechen. Jetzt zünden wir quasi die nächste Stufe, der Theater Podcast Volume 2. Der Podcast bekommt in dieser Saison ein großartiges Moderatoren-Duo. Die ganz junge Generation übernimmt. Darf ich vorstellen, Vera Kunze und Paul Zerahn? Hallo ihr beiden, solltet ihr euch kurz vorstellen?

Vera Kunze:

Hallo, Hi, soll ich anfangen?

Vera Kunze:

Ich bin Vera Kunze und ich bin 18 Jahre alt und ja, ich freu mich, dass ich jetzt hier den Theaterpodcast mit moderieren darf und was soll ich noch zu mir sagen? Ich bin gerne und viel am Theater, ich bin vor allem ein großer Musiktheater und Fan. Ja, ich glaub, das ist so das Wichtigste erstmal.

Paul Zerahn:

Ich glaub, da kann ich mich ziemlich anschließen. Ich bin Paul, ich bin 17 Jahre alt und ich bin eigentlich auch schon seit immer mit dem Theater irgendwie über 5 Ecken verwoben gewesen und das ist jetzt sozusagen die sechste Ecke, wie man dann hier noch sich weiter webt.

Christian Stolz:

Ihr seid heute also nicht zum ersten Mal im Theater. Wie ist denn euer Bezug zum Theater Ulm?

Vera Kunze:

Also mein Bezug ist tatsächlich mittlerweile ziemlich persönlich mit den Leuten hier am Haus. Und das ist irgendwie so über die Jahre gekommen, weil ich vor paar Jahren irgendwie durch 'ne Statisterierolle hier reingerutscht bin und dann einfach hier geblieben bin. Und ich bin auch mit Paul in der Bürgerbühne Musiktheater, wo wir dann auch sehr viel noch mal dem Theater näher gekommen sind und viele verschiedene Dinge kennengelernt haben. Ja, das ist glaub ich, so mein Bezug.

Paul Zerahn:

Ich kann mich dir nur anschließen, ich bin auch damals zur Bürgerbühne Musiktheater gekommen, ist mittlerweile 4 Jahre her, damals haben wir uns kennengelernt und ja, ansonsten eben, wie gesagt, ich hab 'nen ziemlich familiären Bezug zum Theater. Meine Mutter arbeitet hier, Benjamin Künzel ist mein Patenonkel und ansonsten ist es immer so gewesen, dass ich halt mal hier war zum Windeln wechseln, Vorstellungen anschauen oder irgendwann halt mal selber 'ne Vorstellung spielen und man lernt die Leute halt kennen.

Christian Stolz:

Könnt ihr euch noch erinnern, wie eure Lust auf Theater entstanden ist?

Paul Zerahn:

Das ist tatsächlich bei mir immer so gewesen, dass ich, wir hatten alles mögliche. Ich habe immer, wenn ich jetzt so zurückdenke, ich habe damals schon, ich hatte so Stoffeulen, dann habe ich zu Geburtstagen irgendwelche Stoffeulen-Puppenspiele inszeniert mit 5 Jahren. Das war jetzt tatsächlich nicht der Hit, aber ich hatte immer so eine eine Faszination dafür, 'ne andere Welt zu kreieren und gleichzeitig aber auch da drin zu stecken und ich finde, auf der Bühne zu stehen und jemand anders sein zu können, ist sehr weit weg von sich selber sein zu können und alles, was gerade so einem selber irgendwie andauernd durch den Kopf geht, mal links liegen lassen zu können und bisschen sich zu verlieren.

Vera Kunze:

Ich glaube, dass meine Lust am Theater erst nach und nach entstanden ist und immer noch am Entstehen ist, weil für mich irgendwie zu Lust am Theater auch sehr viel Freiheit und Mut gehört, einfach Dinge auszuprobieren. Und gerade am Anfang hab ich mir auch teilweise sehr schwergetan und es war dann eher so 'n Traum, Theater machen zu können und so 'n Weg dahin, die Lust am Spielen zu finden.

Paul Zerahn:

Was ich natürlich auch, find ich, ganz erwähnenswert finde, ist, dass man. nirgendwo so viel Möglichkeit hat, Quatsch und Nonsense zu machen, wie beim Theater und auf der Bühne, vor allem mit Operette, weil man einfach jeden möglichen Mist irgendwie einmal vor 100 Leuten da hinstellen kann und das ist genau das, worüber sich die Leute freuen.

Christian Stolz:

Ich glaub, da bahnen sich tolle Gespräche an mit den Leuten hier am Theater. Was habt ihr denn vor mit dem Podcast? Also, was erwartet das Publikum?

Vera Kunze:

Was ich verfolgen wollen würde, ist dass man. Irgendwie so 'n Blick dahinter bekommt, wie oder so 'n tieferen Blick in die Stücke rein bekommt, dass es vielleicht anregen kann, noch mal anders auf die Stücke zu blicken oder auch sich vielleicht, weil das denk ich mir oft, dass viele ja auch Abo-Gänger sind. Und beim Abo hat man ja 'ne vorgefertigte Auswahl an an Stücken, die man halt sieht. Und ich fänd's schön, wenn durch den Podcast wir vielleicht Leute dazu ermutigen könnten, auch sich noch was. außerhalb davon anzugucken, um vielleicht mal ins Podium zu gehen oder vielleicht ein Stück, was nicht gerade auf dem Spielplan Spielplan im Abo mit drin ist, sondern wo man vielleicht dann Lust drauf bekommt.

Paul Zerahn:

Ja, und gleichzeitig vielleicht auch so ein bisschen nicht selber, das kenne ich von mir sehr gut, zu sagen, hey, ich gehe jetzt irgendwo hin, ich schaue mir vorher noch irgendwas dazu an, nichts mache ich, ich aber so ist halt der Vorteil, OK, man hat irgendwas, wo man nebenher alles Mögliche machen kann, und dann gibt es so ein paar Verrückte, die mit den Leuten hier im Theater reden und das für einen erledigen, vielleicht auf eine ganz persönlichere Weise noch dadurch, dass man direkt in Kontakt zu den Darstellern oder Regisseuren, alle möglichen Leuten, die an diesen Projekten mitwirken, steht und ja, diesen diesen Blick hinter die Kulissen oder den Blick auf die Hinterbühne kriegt.

Vera Kunze:

Ja, und ich glaube, wir beide haben nicht den Anspruch an Perfektion, sondern an Austausch.

Christian Stolz:

Und worauf freut ihr euch am meisten?

Vera Kunze:

Ich glaub auf die kleinen lustigen Situationen, die entstehen, wenn man sich verspricht oder 'ne Frage umformuliert und natürlich auch auf die ganzen Leute, weil wann lernt man schon so viele verschiedene Leute dann kennen in dem Kontext.

Paul Zerahn:

Total, also ich glaub auch einfach. mit den Leuten da bisschen Quatsch reden zu können, das vielleicht auch ein paar Dinge rausgeschnitten werden, die man dann sagt.

Christian Stolz:

Ich freue mich riesig drauf, das alles von euch zu hören. Ab jetzt, die kommenden Folgen bestehen also aus mehreren Beiträgen zu verschiedenen Produktionen am Theater Ulm, vielleicht auch zu einigen Blicken hinter den Kulissen. Dabei wünsche ich Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ganz viel Spaß und ich wünsche euch beiden ganz viel Spaß dabei und übergebe das Mikro.

Vera Kunze:

So, wir sind jetzt auf dem Weg ins Podium und da treffen wir Philipp Löhle, den Regisseur von »Taxi nach Drüben«.

Paul Zerahn:

Dem Schauspielstück und der Uraufführung, die jetzt hier in Ulm stattfindet. 

Hallo, wir haben jetzt hier den Regisseur und Autor von 'Taxi nach Drüben', Philipp Löhle. Willst du dich mal kurz vorstellen und 'n bisschen was zum Stück sagen?

Philipp Löhle:

Ja, gerne. Das also vorstellen würd ich mich. Ich heiße Philipp Löhle und bin Regisseur und Autor. Das passt eigentlich schon ganz gut zusammen. Zu dem Stück ‚»Taxi nach drüben« kam es, weil ich in der Zeitschrift »Dummy« so 'n Artikel gelesen hab über einen Ulmer Taxifahrer, der in den Ende der 70er Jahre ein deutsch-deutscher Doppelagent wurde. Und das fand ich so 'ne spannende Geschichte, dass ich gedacht hab, das muss man unbedingt im Theater machen und zwar unbedingt im Theater Ulm, wenn der Taxifahrer aus Ulm kommt. Und hab ihn gegoogelt und seine Telefonnummer rausgefunden und den angerufen und gefragt, ob er sich mit mir treffen würde, um mir seine Geschichte zu erzählen oder davon zu erzählen. Und das haben wir dann gemacht im April, würde ich mal behaupten, oder März haben wir uns hier im Theater 3 Tage getroffen und er hat mir alles erzählt. Und dann hab ich danach daraus ein Stück geschneidert, nach nach wahren Begebenheiten quasi. Also es ist, es wirkt alles sehr übertrieben und absurd, aber es ist viel weniger gelogen, als man denkt.

Vera Kunze:

Und das Stück an sich behandelt jetzt einen bestimmten Ausschnitt des Lebens, oder wie kann man sich das vorstellen?

Philipp Löhle:

Genau, das ist eigentlich, wir erzählen das auch relativ chronologisch, von vorne nach hinten, weil die Geschichte war, dass er also der Taxifahrer im echten Leben heißt, der Hermann Reisch und in meinem Theaterstück heißt er Helmut Armsch, weil ich fand, ich hab zu viel dazu erfunden oder geändert oder. Ich hab ja auch nicht jetzt Hermann Reisch als, also diesen Menschen bilden wir ja nicht ab, sondern wir erzählen ja nur seine Geschichte. Deshalb wollt ich unbedingt den Namen ändern und der hat eine Frau aus Ulm nach Chemnitz gefahren, als es noch Karl-Marx-Stadt hieß zu DDR-Zeiten und wurde dort von so einem Stasi-Mitarbeiter angesprochen. Also nicht offiziell als Stasi-Mitarbeiter, sondern als Friedensaktivist getarnt, ob er ihm einen Stadtplan aus Ulm mitbringen könnte. Und dann ist er wieder zurückgefahren und hat sich dann aber irgendwie gewundert und gedacht, das ist ja komisch, warum wollen die 'n Stadtplan aus Ulm. Und weil er selber so 'ne Bundeswehr-Vergangenheit hatte und 4 Jahre bei der Bundeswehr war und die dort auch gelernt haben, dass man irgendwie angeworben wird, hat er sich dann bei seinem Stützpunkt gemeldet und die haben ihn an den Verfassungsschutz verwiesen. Und der Verfassungsschutz hat gemeint, ja, mach das doch, bring dir mal diesen Stadtplan mit und erzähl uns dann alles, was die mit dir vorhaben und was die mit dir machen. Und so schnell wird man Doppelagent und das ging auch ziemlich lange gut. Also er sollte diese Pershing-Raketen ausspionieren, die hier mal stationiert waren, da zu Kalte-Kriegs-Zeiten und das quasi an an den Osten übermitteln, wo die stehen, wie die sich bewegen, wann da welche Rakete wo ist und was die so machen. Und ist dann irgendwann ist er dann aber aufgeflogen, nach ich glaub so 4/5 Jahren. und wurde dann im Osten zu 12 Jahren Haft verurteilt und war dann 3 Jahre in Bautzen in so einem Stasiknast. Und kam dann nach 3 Jahren, also genau, er hat mit 12 gerechnet und kam dann nach 3 Jahren bei so einem Agentenaustausch, quasi frei. Also alles, alles drin, was man an deutsch-deutscher Geschichte irgendwie spannend finden kann.

Vera Kunze:

Und da endet dann quasi das Stück.

Philipp Löhle:

Genau da endet dann auch das Stück und das und was er davor gemacht hat und was er danach gemacht hat, das kommt da auch gar nicht vor, sondern es ist wirklich diese, also dass man so diese große Kalte-Kriegs-Zeit, die auch in Teilen an heute erinnert, dass man die halt an so einer sehr persönlichen Geschichte nacherzählen kann und auch an so einer unscheinbaren Figur. Es ist kein Politiker und kein Agent und irgendwas, sondern es ist 'n Taxifahrer, der da so reinstolpert und zwischen die Fronten gerät und das. Das ist natürlich sehr spannend.

Vera Kunze:

Würdest du sagen, dass das auch das Ziel des Stückes ist, quasi diese deutsch-deutsche Vergangenheit noch mal zu darzustellen oder wie es auch jeden persönlich damals irgendwie dann doch treffen konnte oder wie er es halt erlebt hat?

Philipp Löhle:

Ja, es ist glaube ich schon so ein bisschen, dass man da so, man kriegt da so ein Gefühl für die Zeit von damals. Also es ist ja auch absurd, das kann man sich ja auch nicht vorstellen, dass in einer Stadt wie Ulm 28 Atomsprengköpfe rumfahren, jeden Tag. und die haben die Sprengkraft von 35 mal Hiroshima. Also da war ja ziemlich viel Power, was da irgendwie durch die Gegend fährt, einfach so hier in so einer in so einer schönen Stadt. Und dass das halt mitten in diesem Geflecht steckt aus diesen Großmächten, die da irgendwie gegenseitig so 'n Wettrüsten machen, das fand ich da eigentlich ganz gut eingefangen. Und es ist halt auch mittlerweile so, dass man denkt, es erinnert einen an diese Zeiten von früher, so, also persönlich hab ich die jetzt auch nicht überlegt, erlebt, aber man kennt ja da auch viele Geschichten davon und irgendwie hat man das Gefühl, das wiederholt sich jetzt auch alles mit diesem Ukrainekrieg, mit diesem Russland, werden da fallen fliegen auch ständig irgendwie Spione auf, die Taxifahrer von früher sind jetzt heute die die Drohnen am Münchner Flughafen und so. Also es wiederholt sich auch wieder irgendwelche Sachen und damals würde man irgendwie sagen, na ja, der war so 'n bisschen naiv. Und heute, heutzutage wird man irgendwie denken, wahrscheinlich sind wir genauso naiv, weil wir auch nicht vermuten, dass der Mensch neben uns eigentlich gerade für Russland spioniert oder irgendein doppeltes Spiel betreibt.

Paul Zerahn:

Würdest du sagen, dass es anders ist, 'n Stück zu inszenieren, dass man selber geschrieben hat, wo man jeden Text alleine sich so irgendwie aus dem Kopf hat kommen lassen, oder ist es ähnlich zu den Dingen, die man so bekommt, die vielleicht schon mehrere 100 Jahre alt sind?

Philipp Löhle:

Also ich glaube, ich glaube, dass es schon in irgendwie auf 'ne gewisse Weise einfacher ist, die eigenen Sachen zu inszenieren. Bei dem wusste ich ja jetzt auch noch, also da wusste ich ja auch vor dem Schreiben, dass ich es dann inszenieren werde. Dann schreibt man wahrscheinlich schon so 'n bisschen darauf hin, wie man sich vorstellt, dass man das machen würde. Umgekehrt fehlt halt genau das, also wenn man jetzt 'n fertigen Text hat und dann kommt ein fremder Regisseur, Regisseurin und nimmt sich den Text und bringt noch mal 'ne eigene Fantasie ein, dann wird oft der Text irgendwie, irgendwo gegen den Strich gebürstet oder anders verwendet, als auf den ersten Blick irgendwie den Eindruck macht. Und das kann, glaub ich, oder das find ich auch ganz oft spannend an Theater, dass wenn andere Leute meine Texte inszenieren oder wenn ich andere Leute Texte inszeniere, dass man dann irgendwie suchen muss, wie man damit umgeht und eben auf andere Lösungen kommt, als. die vom vom Autor direkt angedachten.

Paul Zerahn:

Und macht es einen Unterschied jetzt auch, dass es wirklich, also mehr oder weniger so passiert ist und nicht jetzt eine frei erfundene Geschichte ist von irgendjemandem, sondern dass es einfach genauso das widerspiegelt, was wirklich passiert ist oder fast genauso?

Philipp Löhle:

Also das hat den Vorteil, dass sich der Autor viel weniger Story ausdenken muss, weil die ist ja schon da, so das ist irgendwie ganz, ganz angenehm. Ob das jetzt wirklich im Stück selber, also ich glaub, mich hat das Thema auch interessiert oder die Geschichte von Hermann Reisch, weil das so viele Dinge da so wahnsinnig absurd sind und das, also das ist quasi komisch, ohne dass man, ich hab da jetzt nicht wahnsinnig viel Komik hinzugefügt und trotzdem ist es sehr lustig, weil da halt ganz viele, also eben ein Stasi-Mitarbeiter spielt irgendwie jemand von einer Friedensbewegung, obwohl es noch gar keine Friedensbewegungen gab und so. Also das sind irgendwie so komische Widersprüche, die da so auftauchen und die, genau, die, die werden von alleine lustig, wenn man die in 'ne Szene gießt. und insofern, also ich, ja, ich wüsste jetzt nicht, ob man es, ja, man merkt, merkt das dem natürlich schon an, bei so einer Geschichte wird sich jetzt, glaub ich, niemand direkt ausdenken, glaube schon, ja, weiß nicht, ob das die Frage beantwortet.

Vera Kunze:

Ja, ich denk schon, du hast ja gerade auch gesagt, dass relativ vieles ziemlich absurd oder auch auf den ersten Blick unglaubwürdig wirkt. Jetzt find ich persönlich, dass auch das Thema Spionage irgendwie im Alltag nicht wirklich greifbar ist. Würdest du sagen, oder transportiert sich diese, dieses Geheimnisvolle oder dieses Mystische auch irgendwie in dem Stück wieder oder ist es dann doch mehr 'ne Erzählung?

Philipp Löhle:

Nee, ich würd schon sagen, dass das, dass das auch vorkommt durch das, dass man auch, also man hat halt diesen einfachen Taxifahrer, der plötzlich als Spion arbeitet und dann muss er das, vor seiner Frau und vor seiner Familie hält er das geheim, damit das nicht irgendwie, damit die da nicht mit reingezogen werden. Dann darf er ja dem Osten nicht sagen, dass er für den Westen arbeitet. Der Westen darf zwar wissen, dass er für den Osten arbeitet, aber das, also er muss ja dann irgendwie spionieren, das an den Osten übermitteln, das was er übermittelt hat, an den Westen übermitteln. Dann hat der Westen das wohl noch an die Amerikaner weitergegeben. Also, weil die alle wissen wollten, wie arbeitet denn der Osten, wie werben die Spione an, wie werben die Agenten an, woher holen die ihre Informationen. Also das, das ist ein ganzes Geflecht aus unterschiedlichen Geheimdiensten, was überhaupt nicht an der Oberfläche arbeitet, sondern alles irgendwie im Verborgenen passiert und das gleichzeitig noch vor der Familie geheim halten. Also er hat sich dann immer nachts auf den Speicher gesetzt und mit so einem, mit so einem Radio irgendwelche Zahlencodes empfangen, um da so Aufgaben und Infos zu entschlüsseln. Ganz am Ende hat er, glaube ich, ein Funkgerät gehabt und konnte auch was funken. Und davor, ganz, ganz am Anfang, ist er zu einer öffentlichen Telefonzelle gefahren und hat versucht, irgendwie in der DDR anzurufen bei so Nummern, die er hatte. Also das ist schon alles, das findet schon alles irgendwie im Verborgenen statt und ist so ein bisschen genauso, das mit klein, klein James Bond, ohne vielleicht ohne Frauen und Bomben und Flugzeuge. Aber, doch sehr viel James Bond.

Vera Kunze:

Ja, ja und vor allem auch, ja ohne irgendwie Erfahrungen. Also man wird ja quasi einfach in den Job des Spions wurde er ja einfach hinein geworfen.

Philipp Löhle:

Das kommt auch noch dazu und auch nicht. Also es hat ihm auch keiner geholfen. Der Mann vom Verfassungsschutz hat wohl mal gesagt, er hilft ihm jetzt extra nicht, damit die Gegenseite nicht merkt, dass ihm geholfen wird. Also weil das sonst könnte er ja auffliegen, weil die Stasi plötzlich denkt, wieso weiß der das, wieso macht er das so und so. Deshalb war er total auf sich allein gestellt und das ist dann auch wieder das Beeindruckende an diesem Hermann Reisch, an dem Original dazu, dass der einfach total clever war und auch da irgendwie so 'ne Chuzpe hatte, das alles durchzuziehen, das ja da, das ist schon sehr beeindruckend.

Vera Kunze:

Ja, da sind wir dann gespannt. Jetzt die Premiere ist ja dann jetzt bald und hast du noch irgendwelche abschließenden Worte, die du loswerden möchtest?

Philipp Löhle:

Geht ins Theater.

Vera Kunze:

Das ist ein gutes Schlusswort. Ja.

Philipp Löhle:

Nee, vielen Dank.

Vera Kunze:

Gerne, danke Ihnen, danke dir.

Paul Zerahn:

So und jetzt aus dem Podium raus, bisschen frische Luft. Wo sollen wir hingehen, Mira, worauf hast du Lust?

Vera Kunze:

Ich find Salzkammergut, immer gut.

Paul Zerahn:

Oh, Österreich, Österreich ist eine schöne Idee. Salzkammergut ist doch auch »Weißes Rössl« oder? Genau, das gerade hier läuft.

Vera Kunze:

Genau, lass uns da doch mal vorbeischauen.

Paul Zerahn:

Ja, Benjamin Künzel, den kenne ich sogar.

Vera Kunze:

Und Vincenzo de Lucia, da.

Paul Zerahn:

Laufen wir mal hin und fragen die bissle aus.

Vera Kunze:

So, machen wir das, machen wir. 

Also, wir sind jetzt hier mit Benjamin Künzel, der die Regie hat im Weißen Rössl und mit Vincenzo de Lucia, der die musikalische Leitung inne hat.

Paul Zerahn:

Benjamin, sag mal, worum geht es im Rössl in einem Satz?

Benjamin Künzel:

In einem Satz bist du wahnsinnig?

Paul Zerahn:

Dürfen auch 2 sein..

Benjamin Künzel:

Es geht um Liebe, Lust und Leid am Wolfgangssee, um Menschen, die ihr Glück suchen und nur teilweise finden. Mit einem Haufen guter Musik und mit ganz viel Herzschmerz.

Vera Kunze:

Das klingt sehr vielversprechend, find ich. Und was verbindet ihr als erstes mit dem »Weißen Rössl«, wenn ihr so jetzt an die Operette denkt, gibt es da was, was euch als erstes in den Sinn kommt?

Benjamin Künzel:

Also bei mir gibt es sofort den Film mit Peter Alexander und Waltraut Haas. Das ist das erste, was mir in den Sinn kommt und meine erste Begegnung mit dem Stück, weil ich so als Zwölfjähriger… Das war meine erste Operette, die ich auf der Freilichtbühne in Ötigheim gesehen hab. Das ist auch sofort das Erste, was ich beim »Weißen Rössl« verbinde.

Vincenzo de Lucia:

Ja, ich hab tatsächlich das »Weißen Rössl« nie gehört, bevor ich herkam, aber ich hab dann die italienische Fassung von dem »Weißen Rössl« »Al Cavallino Bianco«. Dann habe ich entdeckt, dass ich es eigentlich ein paar Mal schon gehört (Habe). Aber es, es ist nicht so berühmt in Italien, das Stück. So, es war, wie sagt man auf Deutsch, 'First Sight Love’ (Liebe auf den ersten Blick) für mich mit diese, mit dieser Operette. Das ist ja Operette, Operette in kurz.

Paul Zerahn:

Und was ist euch so bei der Musik speziell jetzt wichtig gewesen?

Vincenzo de Lucia:

Ah ja, das ist, das war die, das war die schöne Frage und. Ja, speziell ist diese Fassung die »Bar jeder Vernunft«-Fassung. Diese Schauspiel-Fassung bringt nur nicht nur die Operette, aber den coolen 30er 40er-Jahre Jazz. Swing, eigentlich Swing-Bebop, das Foxtrott und so, das macht das ganze Stück wirklich besonders.

Benjamin Künzel:

Ich find noch zu ergänzen, was bei dieser Musik oder bei dieser musikalischen Fassung für mich das Wichtigste ist, dass quasi Gesang und Sprache gleichwertig sind, dass es nicht darum geht, eine Musik zu erfüllen und da drunter liegt Text, sondern dass es Dauerkommunikation mit musikalischen und sprachlichen Mitteln ist.

Vera Kunze:

Ich glaub, gerade deswegen ist es ja auch gar nicht dumm, das mit Schauspielern zu machen und..

Benjamin Künzel:

Ich würd das als überhaupt gar nicht dumm bezeichnen..

Vera Kunze:

Eben oder vielleicht sogar sehr klug und da haben wir uns dann aber gefragt, ist die Arbeit mit Schauspielerinnen und Schauspielern dann für euch anders gewesen, gerade vielleicht was die musikalische Erarbeitung angeht, ob man dann andere Herangehensweise hat?

Vincenzo de Lucia:

Nee, ich finde immer, dass mit Schauspielern diese Dinge zu machen, das bringt immer mehr Möglichkeiten, weil wie Benjamin schon gesagt hat, diese Balance zwischen Gesang und Worten und Text und das ist selbstverständlich mit Schauspielern einen. Ach, ich weiß nicht, aber es es ist fast ein bisschen einfacher, diese Balance zu finden, weil die sind so gewohnt, immer in die Worte eine, ein neue, eine Bedeutung zu finden und das hilft sehr, auch musikalisch.

Benjamin Künzel:

Ich würd sagen, für mich ist die Arbeit schon anders, aber ohne das werten zu wollen. Ich arbeite genauso gerne im Musiktheater-Ensemble, aber mit dem Schauspiel-Ensemble ist der erste Vorteil schon mal, dass man sprachlich quasi auf einer Ebene ist. Also wir sprechen erst mal alle dieselbe Sprache. Das im Musiktheater ja sehr oft nicht der Fall, weil die Muttersprache von den verschiedenen Ensemblemitgliedern oft eben auch unterschiedliche sind und man trifft sich dann mit einem gewissen Vokabular, singt eventuell sogar noch in einer Fremdsprache. Und das ist jetzt quasi das schon mal der, der Startpunkt ist die gemeinsame Sprache ist, die gemeinsame Art mit Text umzugehen und von dort aus startet man viel schneller in inhaltliche Richtungen, als man das vielleicht mit einem Musiktheater-Ensemble täte. Von daher ist es sehr anders, wobei es in beiden Fällen 'ne schöne Arbeit ist.

Vera Kunze:

Jetzt kommen wir zu meiner Lieblingsfrage. Mit welcher Figur könnt ihr euch aus dem »Rössl« besonders identifizieren oder welche ist euch irgendwie besonders ans Herz gewachsen und warum?

Benjamin Künzel:

Ich liebe Leopold. Ich bin ein ganz großer Leopold-Fan, weil der, weil der sein Herz auf der Zunge trägt, der, der sein Gefühl nie verstecken kann, der irgendwas zwischen Entertainer, Reflexentertainer ist und gleichzeitig blutet ihm das Herz und das zeigt er eben nicht allen. und damit kann ich mich total identifizieren und das, könnte ich singen und hätte ich das als Beruf, eine Traumrolle, wäre mit Garantie der Leopold.

Vincenzo de Lucia:

OK, du hast den Leopold schon genommen, nö, dann ja, selbstverständlich, der schöne Sigismund. Nee, aber eigentlich, weil wie, wie gesagt, ich kannte nie diese Figuren davor, aber in unserer Fassung mindestens, weil ich finde so viele da, die sind so alle so besonders und aber ja, den Sigismund vielleicht, ich, ich liebe auch das Sigismund-Lied, so kann sein, dass ich ich einen ›Bias‹ habe, aber ja, es ist auch die die Figur, es ist schon lustig für mich. Es ist auch ein bisschen diese Crazyness, das ich liebe.

Benjamin Künzel:

Wobei man auch sagen muss, während man drüber nachdenkt, welche Figur mag ich besonders oder sowas, kommt man halt vom Hundertstel ins Tausendste und stellt am Schluss fest, dass man alle Figuren einfach schrecklich gerne hat. Man, man fängt irgendwo an und das zu begründen und jetzt fallen mir aber für die anderen Figuren genauso viele Gründe wieder ein. Ich glaube, das macht auch die Qualität des Stückes aus, dass diese ganzen Figuren so lebendig sind und man überall andocken kann.

Paul Zerahn:

Ist das auch was, was ihr sagt, ist jetzt in der Fassung, die ihr jetzt da benutzt, anders als zum Beispiel in dem Original oder dass da sich noch mal, dass es für euch in dem Sinne besser passt?

Benjamin Künzel:

Ich finde tatsächlich schon schwierig, von einem Original zu sprechen, weil es das beim Rössl in der verbindlichen Form eigentlich gar nicht gibt. Das ist ein Stück, das schon quasi in der Grundkonzeption veränderbar ist, das für jede Stadt, wo es kurz nach der Uraufführung gespielt wurde, eine Anpassung erfahren hat. Von daher würde ich das so nicht beantworten. Ich finde, dass diese Fassung, die wir jetzt haben, die Anfang der 90er in Berlin entstanden ist, einfach besonders den den Kern des Stückes trifft oder für eine Besetzung mit Schauspielern oder mit singenden Darstellerinnen und Darstellern einfach besonders geeignet ist und dadurch den Zeitgeist des der Anfang 30er Jahre schnell heraufbeschwört mit sehr einfachen Mitteln. Es sind nicht das große Sinfonieorchester, aber auch nicht die riesen Jazzkombo, die da sitzt, sondern es ist einfach eine raffinierte Kammerfassung.

Vincenzo de Lucia:

Ja, als wir die Fassung angefangen haben, habe auch den Film von der Originalfassung geguckt und bei für mich, das einzige war nur, dass da, es gibt noch dieses romantische Gefühl von ja, Beginn des Jahrhundert oder so und hier, ist es für mich ein bisschen näher, dieser Humor, mehr ein bisschen trocken, manchmal fast britischer Humor und das gefällt mir sehr und ich glaube, es ist auch ein bisschen näher zum modernen Publikum, diese Fassung.

Vera Kunze:

Jetzt hast du gerade oder ihr beide habt schon von 30er Musik gesprochen oder auch, dass man ganz klar da die Operette verordnen kann. Zeigt sich das auch in der Ulmer Inszenierung? Also spielt die genau in dieser bestimmten Zeit oder hast du, Benjamin, irgendwie 'ne Vision gehabt, wie du jetzt das »Weiße Rössl« oder dein »Weißes Rössl« inszenieren möchtest?

Benjamin Künzel:

Also, ich hab nicht beabsichtigt, das Ding quasi wieder in die 30er zurück zu verlegen oder in anfangs ja von 1930, das heißt, wäre ja eigentlich späte 20er, wo es entstanden ist. Das war nie meine Absicht, aber ich hab Punkte drin, wo ich gerne etwas vom Zeitgeist zitieren möchte, was ich gerne mit rüber retten möchte, ohne historisch zu werden. Ich würde gerne ein ein heutiges Publikum genauso ansprechen, dass die das Gefühl haben, na, diese Geschichte könnte ja heute ganz genauso passieren und so mischen sich in der Ausstattung von Maike Häber und in, ich glaube, in der Art, wie wir die Figuren gebaut haben, ganz viel moderne Elemente mit historisch anmutenden Elementen und ich hoffe, das geht eine Mischung ein, die zumindest mit viel Ironie und mit wirkungsvollen Kontrasten unterfüttert ist.

Vincenzo de Lucia:

Ja, ich glaube da, das ist der Zauber dieser Fassung. Es ihm, es lässt immer so viel Freiheit für uns drin uns so bewegen, dass man immer, dass alles ist möglich, weil wir können immer von den 30er nehmen, diese oder mit mit dieser Barrieren »Bar jeder Vernunft«-Fassung so spielen, aber auch drinnen immer neue Zitate finden und ein bisschen manchmal verstecken, nee verstecken, ja und das macht auch viel Spaß, weil haben wir jetzt Zitate von überall in der Welt, Zitate von Spanien oder von, aber eigentlich Zitate vom Original-Stück und die sind alle da und das ist möglich, nur wenn es eine Fassung gibt, die Freiheit lässt..

Benjamin Künzel:

Ich glaube, auch wenn man heute diese Geschichte erzählt und auch wenn man jetzt diese Bar jeder »Bar jeder Vernunft«-Fassung nimmt, die 1993 in Berlin entstanden ist, darf man nie vergessen, dass ein Stück eine Geschichte mit sich bringt. Und wir können heute nicht so tun, als hätte es den Peter-Alexander-Film nie gegeben, als hätte es die Uraufführung nicht gegeben, als hätte es das Dritte Reich dazwischen nicht gegeben, wo das Stück verboten war, wo andere Länder quasi ihre Tradition weiter geschrieben haben, dieses Stücks. All diese Dinge sind immer da und die kann man nicht weg ignorieren. Und wenn wir heute »Weißes Rössl« 2025 erzählen, mit der Fassung von 1993, ist der Peter Alexander trotzdem noch da, aber ist auch ist 1993 da, ist aber auch 1930 da und das muss alles irgendwo sein Recht bekommen, glaube ich.

Paul Zerahn:

Was würdet ihr sagen, war für euch so die schönste oder vielleicht ergreifendste Erfahrung während der ganzen Probenzeit jetzt?

Benjamin Künzel:

Für mich war es tatsächlich die Entdeckung, wie viele melancholische. und wirklich anrührende Momente in diesem Stück sind. Also, dass es wahnsinnig viel zu lachen gibt und dass das auch so echt manchmal 'n bisschen 'ne Haudrauf Komödie ist mit sehr klaren Pointen, aber beim Proben zu entdecken mit diesem wunderbaren Ensemble, dass es eben auch ganz viel Tiefgang hat, der sehr plötzlich um die Ecke schaut und wenn man den ernst nimmt, kann einen das zu Tränen rühren und das war für mich so, glaub ich, die größte schöne Überraschung neben allem, was ich sowieso gerne hab.

Vincenzo de Lucia:

Ich kann das nicht toppen, das war, das war wirklich, wirklich schön und ja, ich, ich kann nur sagen, dass es war für mich eine ständige Freude in der ganzen Zeit der Probezeit und ja, vielleicht für mich eine von den wirklich überraschenden Moment war, als wir das erste Mal, mit dem Orchester geprobt haben, also mit kleinem musikalischen Song. Und ich hab mir schon ein bisschen vorgestellt, wie diese Musik klingen würde, aber das erste Mal, als wir das zusammen das gespielt haben, habe ich wirklich ein bisschen Gänsehaut bekommen und es war es eine große Freude, das zu hören und ich wusste in diesem Moment, OK. Weil ich liebe, was wir hier machen..

Vera Kunze:

Dann habt ihr noch irgendwelche abschließenden Worte, die ihr noch dringendst loswerden wollt?

Benjamin Künzel:

Ich überleg gerade tatsächlich, dass ich mir ein Publikum wünsche, das offen ist, dieses Stück auch neu zu sehen, weil es ein Stück ist, wo mir klar ist, wie groß die Erwartungshaltungen sind, wo ich mir vorstellen kann, welche Bilder in den einzelnen Köpfen natürlich herumschweben, die man gerne wiedererkennen möchte auf einer Bühne. Und trotzdem wünsche ich mir, dass dass die Offenheit da ist zu sehen, dass es darüber hinaus vielleicht auch noch Wahrheiten in diesem Stück gibt, an die man vielleicht nicht so gewöhnt ist, die man vielleicht nur dann sieht, wenn man noch ein Stückchen weiter zurück guckt, nämlich in die Zeit der Uraufführung und das heute auch zulässt. Das wären so die Punkte, die ich grad so in den Endproben, wo ich immer wieder denk, ah, das wünsche ich mir.

Vincenzo de Lucia:

Ja, für mich, ist das Theater immer der Ort, wo man über moderne Sachen denken oder reflektieren kann oder so, aber manchmal, muss man einfach alles vergessen und einfach diese Stunde genießen und und ich glaube, beim »Weißen Rössl« können die Leute einfach drin sein, alles Schlimme vergessen, was passiert und einfach eine gute Zeit haben und vielleicht, wenn wir den Leute eine Freude bringen, sind wir froh, das ist das Ziel und ja, danke.

Paul Zerahn:

Jetzt waren wir ein bisschen hier im Salzkammergut. Was ist Operette vor allem? Ja..Was ist noch Liebe? Welche Stadt verbindest du mit Liebe, Vera?

Vera Kunze:

Ich würde sagen, Paris.

Paul Zerahn:

Oh, Paris. »La Bohème» l’amour, la vie de l’amour. So, liebes Publikum, wir sitzen jetzt hier mit Wolf Widder und Maryna Zubko, dem Regisseur von »La Bohème« und der Sopranistin, die die Mimi spielt. Würden Sie uns vielleicht mal sagen, wie kann man »La Bohème« am besten kurz zusammenfassen?

Wolf Widder:

O.K., das ist eine Frage an den Regisseur, sagt die Sängerin. Na gut, ja, »La Bohème« ist ein ein Phänomen, das kennen wir irgendwie eigentlich in allen Kulturen. Das sind Leute, die kein Geld haben, aber viel Ambitionen, Träume, Künstler, die noch nicht etabliert sind, die sich für Künstler halten oder vielleicht auch wirklich welche sind oder werden. Und die leben zusammen in Wohngemeinschaften und dann versuchen sich das Leben so lustig und schön zu machen, wie es irgendwie geht. Das ist das Recht der Jugend, sag ich mal, an euch gerichtet. Hier, ja, hallo. Und es gibt dann auch die ersten großen Lieben, es gibt und dann wird diese erste große Liebe aber zusehends tragisch, weil eine Zivilisationskrankheit des 19. Jahrhunderts ist halt die TBC, die Lungentuberkulose, und die geliebte Mimi, Rodolfos Geliebte, stirbt an Lungentuberkulose. Das heißt, plötzlich ist der Spaß vorbei.

Vera Kunze:

OK, das hört sich so, wie fast alle Opern, auch sehr tragisch an oder hat zumindest sehr dramatische Aspekte und »La Bohème« ist ja auch eine mit so der bekanntesten Opern, kann man so sagen. Habt ihr oder wollt ihr vielleicht von eurer ersten Erfahrung erzählen, wo ihr das erste Mal mit »La Bohème« in Kontakt gekommen seid oder wo euch das erste Mal das Stück so richtig aufgefallen ist?

Maryna Zubko:

Hallo ihr Lieben, ich möchte erst mal sagen »La Bohème« ist die meistgespielte, erfolgreichste Oper eigentlich von Puccini. Und wird auch sehr oft von jungen Leuten gespielt, weil da die Jungen.. erstmal muss das stimmen auf der Bühne, also vom Bild her und auch die lyrischen Stimmen und die Orchester-Instrumentalisierung ist so, dass es für leichte Stimmen sehr gut begleitet wird und unterstützt und ich freue mich sehr drauf, also auf mein Debüt mit dieser Rolle. Ah, es ist einfach wunderbar und die Inszenierung ist spannend. Ah ja, ja, Premiere kommt, wir freuen uns so sehr… 

Und zu meiner ersten Begegnung mit »La Bohème«, das war in Kyiw an der National -Staatsoper. Ich war Studentin an der Tschaikowsky Musikakademie und es war eine klassische Inszenierung. Toll, ich hab mich total verliebt in diese Musik, in diese Figuren. Es ist so realistisch und so nah. 

Ich möchte ganz kurz eine lustige Geschichte erzählen, die vor einer Stunde mit mir passiert ist. Nach unserer intensiven Probe bin ich in einen Salon gegangen und die Masseurin hieß Mimi hat sich vorgestellt, hallo bitte sehr schön, ich heiße Mimi und ich hab, ich war sofort so neugierig, Massage, ja, hab ich vergessen, Entschuldigung, heißen Sie so, ist das Ihr Name? Nein, mein Mann nennt mich so und dann war schlaue Frage, warum? Also eine Kollegin hat gesagt, ich heiße eigentlich Miriam, aber sie sagte Mimi und dann nennt man mich halt so und so dachte ich, wow, also diese Magic von »La Bohème« ist auch in unserer Zeit da, überall und. 

Die erste Arie, Auftrittsarie von Mimi, sie sagt erste Sätze ›Mi chiamano Mimì, ma il mio nome è Lucia‹, man nennt mich Mimi, genauso wie die Masseurin in Ulm. So eine realistische Frau, die Oper könnte über eine Masseurin sein, passt genau zu unserer Gegenwart, zu unserer Zeit, ist super aktuell, aber mein Name ist Lucia und ich weiß nicht, warum man mich so nennt. So, und Mimi/Lucia, also Puccini erklärt den Namen nicht nur einmal, ich hab das ganze Internet durchgeforstet, warum, eigentlich gibt es auch keine Erklärungen, keine Erwähnungen und meine Interpretation ist Lucia. Der Name bedeutet Lichttragende, Leuchtende und Ich hab das für mich mitgenommen, auch in diese Inszenierung, das ist eine Frau, eine Figur, die in dieser Geschichte Licht trägt.

Vera Kunze:

Wolf, was war deine erste Begegnung?

Wolf Widder:

Meine erste war 'ne ganz professionelle als junge Regieassistent vor langer, langer, langer Zeit. Ich sag nicht, welches Jahr, dann haltet ihr mich für 'n Opi. Dann war ich Regieassistent. Und hab mit dem damaligen Oberspielleiter des Hauses, das waren die Städtischen Bühnen Lübeck, hat der hat Mimi inszeniert. Und ja, da hat mich das gefangen genommen. Aber ich war noch nicht bereit, so hinter, wie soll ich sagen, in die Werkstatt von Puccini zu gucken, sondern ich war natürlich mit Tagesgeschäften beschäftigt. Im Nachhinein, ich will dem Kollegen, bei dem ich viel gelernt hab, kein Unrecht angedeihen lassen. Aber im Nachhinein war das nicht meine Lieblings-Bohème, muss ich dazu sagen. Die kamen dann später, als ich das zweite Mal Regieassistent von »La Bohème« war, in einem ganz anderen Theater. Und da ging mir das erste Mal auf, welche Qualität das Stück wirklich hat und wie toll es geschrieben ist und nicht nur komponiert, sondern wie toll das, was toll geschrieben wurde, toll komponiert wurde. So.

Vera Kunze:

Jetzt, wenn wir gerade schon da sind, was ist für dich das Besondere? Was hast du erkannt an »La Bohème« oder was ist dein Ziel, wenn du jetzt das hier in Ulm inszenierst? Was möchtest du rüberbringen?

Wolf Widder:

Das ist halt die immer die Frage der Fragen. Ja, also es ist 'n ganzes Bündel von Dingen, die man rüberbringen will. Zuerst will man natürlich dieses Lebensgefühl beschwören, was Puccini in seiner Musik einfach so unglaublich beschrieben hat, dieses Lebensgefühl und diesen, diesen Absturz in die Unausweichlichkeit, dieses, dieses Rasen in die, in die, in den Tod. Also das ist, es gibt ganz viele Anspielungen, die, die über dieses Stück hinüberweisen. Also zum Beispiel gibt es eine ganz biblische Anspielung im vierten Bild, wenn die 4 Freunde irgendwie überhaupt kein Geld mehr haben, dann essen sie ein Brot und einen Hering. So, das ist eine Anspielung auf die Bibel, dieses die Vermehrung von von Brot und Fisch zum Beispiel. Ja, so solche Dinge sind ganz viel da drin. Wir haben festgestellt, Panagiotis Papadopoulos, der Kapellmeister, hat zum Beispiel uns drauf hingewiesen, dass bei dem ersten Kuss in dem Stück, der auch als Regieanweisung drin steht, ein Zitat des Tristan-Akkordes in der Musik ist. So, was heißt das, das heißt, diese Liebe ist unbedingt, aber diese Liebe ist zum Scheitern verurteilt. Ja, so und dieses, das alles rauszuholen und das mit einer Lebendigkeit auf die Bühne zu bringen, sodass wir Freude an diesen Figuren haben und gleichzeitig eben auch Trauer empfinden für das Scheitern dieser Beziehung. So das ist das, was ich eigentlich machen will. Und es hat auch natürlich entschuldigt, es hat auch oberflächlich noch 'ne, 'ne, 'ne durchaus, wie soll ich sagen, eine Komponente, was kann Jugend und und wo wird Jugend plötzlich erwachsen, so dieser Kippmoment nach der Pubertät zwischen, was weiß ich, zwischen Bachelor und Master, ja, würde man heute sagen, dieser Kippmoment, der ist sehr interessant.

Paul Zerahn:

Maryna, was würdest du sagen, ist für dich an der Rolle der Mimi so besonders oder was greift dich persönlich?

Maryna Zubko:

Mich berührt sehr, diese Figur natürlich. Sehr viel liegt schon in der Musik, wie das komponiert ist und der Text, was diese Figur mit sich mitbringt und trägt. Ja, wie ich interpretiert habe, es ist eine lichtvolle, leuchtende, strahlende Figur. Sie ist krank, also sie hustet sehr oft und aber sie will das nicht einsehen. Also, sie verdrängt das und sie will leben, sie will geliebt werden, sie will lieben, sie will neue Freundschaften, sie will in die Welt raus, lachen, feiern und ja, sie spielt Fußball selber trotz Husten und das gefällt mir sehr, es ist mir sehr, das begeistert mich auch, diese Stärke.

Paul Zerahn:

Es ist schwierig, so diese, dieses sichere Wissen von, dass das Ende kommt, das rüberzubringen und das so in Relation zu setzen mit OK, das kommt und gleichzeitig will man es in der Rolle nicht einsehen?

Maryna Zubko:

Ich glaube, Mimi lebt im Hier und Jetzt und sie überlegt sich nicht viel, das es in 2 Monaten soweit ist, sie genießt jeden Moment, jede Begegnung, alles was passiert und sie stickt Blumen, sie ist eine Näherin, heißt das genau, sie näht und bestreitet ihren Lebensunterhalt alleine, ist arm, aber sie sagt in ihrer Arie: Im April, wenn die Sonne, die ersten Sonnenstrahlen kommen in ihre Mansarde mit einem ganz kleinen Fensterchen am Dach,  sie sind meins, sie gehören mir. Also sie, sie ist arm, aber die reichste Person dieser Welt, weil diese Sonnenstrahlen ihr gehören.

Vera Kunze:

Das hört sich auch nach an, als ob man so vielleicht so kleine Alltagswassheiten da sich rausholen kann, wenn man sich auch mit dem Stück beschäftigt. Eher, du hast es ja auch gesagt, es geht wirklich um 'ne Geschichte, die quasi, oder ich hab das beide gesagt, es geht um 'ne Geschichte, die quasi jeden Tag hier bei uns in der Nachbarschaft stattfinden könnte. Ist es auch in der Inszenierung so wiederzufinden, also dass es sehr alltäglich alles ist, oder erzählst du es von einer anderen Seite?

Wolf Widder:

Ja, also das ist das Phänomen Oper. Alltäglich, ja, aber trotzdem mit der großen Überhöhung durch die Musik. Ja, es gibt Sachen, die absolut in Echtzeit stattfinden auf der Bühne. Wir sind selber manchmal erstaunt, wie ratzfatz so 'n Bild vorbeirauscht. Das, das hat einen, einen ganz realistischen Touch, da wird gesoffen und gefressen und und geknutscht und es ist einfach, aber auf der anderen Seite ist es, wenn man sich das anguckt, eine Überhöhung der Realität. 

Ja, allein das Libretto, der Text ist schon in einem Versmaß abgefasst für eine Oper, eine, eine der letzten Opern, bei denen das so war, ab »Salome« von Strauss, ist das nicht mehr so, da wird Prosa vertont, so und und so ist diese Musik auch. Es ist, ich bin nicht der, der es erfunden hat, das kann man so sagen musikalischer Jugendstil. Also, es werden Möbel gebaut, aber diese Möbel sind mit einer Ornamentik versehen und haben eine besondere Ästhetik. So, und das kann man ein bisschen in diesem, in diesem Werk auch sagen, dass es eben nicht 'Guten Morgen, wie geht es dir?' gesungen wird, sondern dass es heißt ›Mi chiamano Mimì, ma il mio nome è Lucia‹ und so.. Ja, das ist schon, schon rhythmisch gebunden. und das ist für mich das beste Beispiel, eines der größten Beispiele in der ganzen Opernliteratur überhaupt, wenn ich vor Gefühl nicht mehr sprechen kann, kommt der Gesang.

Maryna Zubko:

Ich möchte noch kurz ergänzen, für mich ist diese Oper wie ein Bilder-Kaleidoskop, es ändert sich so schnell, im Sekundenrhythmus, Komik und Drama und auch in dieser Figur Mimi oder Beziehung in den Proben. Wir auch lachen manchmal, aber plötzlich kommt so ein Bruch, wo man weinen will und dieser schnelle Wechsel von Emotionen, von Gefühlen macht diese Oper genial. Sie ist kurz, aber es ist so spannend und wenn man mitgeht, dann zieht das einen so rein und es ist einfach phänomenal, finde ich.

Paul Zerahn:

Da echt total schöne Bilder, finde ich, allein beim Zuhören schon gezaubert und da bin ich mir ziemlich sicher, dass so viel auch passieren wird, wenn man sich dann am Ende reinsetzt und das kann ich Ihnen, liebe Zuhörer, sehr empfehlen. Wie ist es, habt ihr noch abschließende letzte Worte, eine Nachricht an die Zuhörer beziehungsweise vielleicht die kommenden Zuschauer?

Maryna Zubko:

Kommt vorbei und lasst euch mit uns und uns, mit euch mitreißen.

Wolf Widder:

Ja, genießt diese Frische dieses Ensembles, genießt die Frische dieses Ensembles und die super Präzision von den Leuten und genießt dieses Zusammenspiel, was man manchmal an Opern nicht hat. Da steht dann einer, stand beim Spielbeginn an der Rampe und trötet und der Rest lungert hinten rum und hier ist es nicht so, hier wird miteinander gespielt und gesungen und genießt die wunderschönen Stimmen, kann ich nur sagen. Also, ich bin ganz dankbar, dass ich hier bin dafür.

Vera Kunze:

So, wir bleiben beim Thema Liebe, ist ein Dauerthema im Theater und auch sonst im Leben, wer kennt es nicht und deswegen gehen wir jetzt, Paul, lach nicht!.. gehen wir jetzt zu den beiden Tänzerinnen Carmen und Maya und unterhalten uns unterhalten mit denen über »Giselle«, dem Tanztheater, was gerade im Großen Haus läuft.

Paul Zerahn:

Gespannt sind wir..

Vera Kunze:

Hallo, wir sind jetzt hier mit den 2 Tänzerinnen Carmen Vázquez Marfil und Maya Mayzel, die beide die Rolle der Giselle tanzen und wir haben jetzt ein paar Fragen, wie immer und wir machen das so, dass wir die Frage einmal auf Englisch stellen und einmal auf Deutsch und dann wird auf Englisch und auf Deutsch geantwortet. Und unsere erste Frage ist, was ist das Thema von »Giselle«?

Paul Zerahn:

And what's the topic of »Giselle«?

Carmen Vázquez Marfil:

With the topic, you mean the the story behind it? OK, so »Giselle« is a very well-known ballet. We've done a different version of it by the choreographer in the house by Annett Göhre. But it's a romantic ballet. It's about a shy village girl who loves to dance, but has a very weak heart, so a heart condition. She falls in love with Albrecht and but he said know that he's a nobel man and he's already engaged to somebody else. So when the truth comes out because the friend from the village that is very madly in love with her, reveals the whole truth to her. She goes mad and with heartbreak and she dies and then we go on to the act, the second act. Which happens in the land of the dead and the land of the Wili’s, which are spirits of betrayed women who have to force men to dance until they die and cannot be touched by the sunlight. And so, Giselle tries to save this Albrecht, who comes to see her and visit her at her tomb and find her there and they dance together until the day light happens and she finally saves him.

Vera Kunze:

Jetzt kommt Maya mit ihrer Antwort.

Maya Mayzel:

»Giselle« gehört zu den ikonischen Werken des romantischen Balletts, die Kombination aus technischen anspruchsvollen solistischen Stellen, tiefen Emotionen, einer tragischen Liebesgeschichte und im starken Kontrast zwischen bäuerlicher Realität im ersten Akt und der übernatürlichen Welt der Wilis im zweiten Akt macht das Stück zeitlos. Die Rolle der Giselle zählt zu den größten Herausforderungen und Höhepunkten einer Tanzkarriere und genau diese Tradition trägt enorm zur Bekanntheit des Stücks bei.

Vera Kunze:

And was macht für euch die Ulmer Inszenierung aus?

Paul Zerahn:

What would do you say is the point in the choreography of Ulm?

Carmen Vázquez Marfil:

So there are very different topics to this version that we've done. One of them, for example, is the scenography that we use. There are a couple of elements, which are mainly the walls that we use and the veils that we use. Also they represent, I guess the walls represent more the city and the village and, yeah, the colorful, the liveliness of the village, and also the veils then come later to represent more of these, like something bad is about to happen. So they both have, I'm lying, the second one doesn't have a color scheme. But the first one has the two color schemes that we're playing with. One is more lively, more colorful, I think there are yellows and greens in there, and then the second act appears and the walls are black and white and so are the veils. Then for example, the costumes are also representing these. The village people have this village, normal people costumes with very much lively colors. And then the moment they turning to Wilis, then they become this black and white. And dependent on how long you've been a Wili, you are darker. So the main queen of the Wilis, Myrtha, she is a very dark color. Whereas, Giselle she's a very white color, very pure, because she just got there. And then there is the whole topic of the vocabulary that she that the choreography uses, which is very different from the original choreography that I believe it's Petipa who made it because mainly because you can see a lot of the very romantic elements into this choreography, the ballets, whereas we play more with the contemporary, more touching, I would say images that perhaps touch more than now, like the the current generations of people.

Vera Kunze:

Jetzt wieder Maya.

Maya Mayzel:

Die Geschichte entwickelt sich bei uns aus einem neuen Blickwinkel, besonders durch das Bühnenbild, das eine ganz eigene Atmosphäre schafft und die Handlung intensiv trägt. Vor allem die Wahnsinnsszene, die im Ballett eine zentrale Bedeutung hat, erhält bei uns eine völlig neue Perspektive im Vergleich zur Originalchoreographie. Auch die Beziehungen zwischen den Charakteren wirken direkter und ehrlicher, fast so, als würde man ihre inneren Bewegungen besser verstehen. Dadurch bekommt dieses bekannte Ballett eine frische und sehr menschliche Farbe.

Vera Kunze:

Danke für eure Antworten. Wir haben jetzt noch ein paar Fragen, die mehr auf euch Gerichtet sind. Und zwar würde es uns interessieren, ist es das erste mal, dass ihr die rolle der »Giselle« tanzt?

Paul Zerahn:

Is it the first time that you're dancing »Giselle«?

Carmen Vázquez Marfil:

For me is not the first time I actually have a very strong connection to this role. When I was in school, I the last year just before I went into the professional world, I did the role of »Giselle«. But only for the second act, we only had yeah that part of the ballet to show. So yeah, coming back to a this quite special für mich.

Maya Mayzel:

Ja, für mich, das ist tatsächlich das erste Mal, dass ich »Giselle« tanzen darf und genau deshalb es ist für mich so eine Herausforderung, weil ich mich einem Werk nähern durfte, das eine ganz lange Tradition hat mit großem Respekt und gleichzeitig mit einer frischen Sicht. Das ist toll und bringt ganz viel Freude mit.

Vera Kunze:

War was für euch besonders bei der Erarbeitung? Also Carmen hat schon gesagt, dass sie die Rolle ja schon kennt und auch eine Verbindung zu ihr hat. Und du, Maya, du hast ja auch gerade gesagt, gab es trotzdem noch irgendwie was, eben vielleicht auch, weil es hier anders inszeniert wurde, als man das so klassisch kennt? Gab es da was Besonderes?

Paul Zerahn:

Was something different in the way of establishing the role or the whole choreography to other choreographies you have seen or even if you say you have already done it in a certain way, are there major differences or something special?

Carmen Vázquez Marfil:

Well, the one version that I have done before was the very classical ballet that we all know. Or at least old dancers no. It's a very demanding role because it's very highly technical. So we have done here a contemporary version. It's new steps, new things to learn, obviously it's always a challenge there. But, it's a different type of demanding, like yeah, physically it requires something else from you. And then again, artistically, because you have to act so much, you have to present the two different, very, very different roles within the same role. Let's say like this. First, the very lively, very naive, very young woman and then the very dead and cold and etherial. So for me. I would say the difference is mainly technical, but then because in both ballets, you have to represent these two sides of the character. But yeah, we're working with a different vocabulary of movement, so that helps get closer to the theme for me in my case.

Vera Kunze:

I have a question for you or for you, both. Do you think it's? You have to act more when you dance contemporary than when you dance, uh, dance like the classical?

Carmen Vázquez Marfil:

Um, actually I don't think you have to act more. Um, but definitely there's a different way of doing it. I would say for my understanding of what acting is for a ballet dancer or a dancer in general, um. The contemporary way of acting is much more natural, is much more pedestrian gestures here what you would normally use in the street. Let's just say. You just have to exaggerate it a little bit more. Whereas, in the ballet world, their vocabularies are made. There are signs that you literally have to do. Like for example, there's the very clear one that is the queen. You have to really represent with the hands, the crown and things like this. So there are very clearly defined signs that you have to do in order for that to happen.

Maya Mayzel:

Ja, ich glaube, ich bestätige auch das, was Carmen sagt, dass im klassischen Ballett ist tatsächlich gibt es bestimmte Bewegungen, die dann Emotionen oder sagen wir so, Sätze ersetzen mit einer körperlichen Bewegung und das ist dann ganz deutlich und klar, was gesagt werden soll und für mich in Contemporary oder Moderner Tanz.. Ich finde, da ist diese Freiheit, die man dann benutzen kann, tatsächlich die Emotionen mehr zu zeigen und ich fühle mich da tatsächlich viel freier und ich kann eigentlich viel mehr zeigen als im klassischen Ballett, was für mich persönlich 'ne bessere Entscheidung und und fühlt sich besser an. Deswegen, ich würde jetzt nicht sagen, dass man da mehr schauspielern soll, wenn man das so nennen darf, sondern einfach auf eine andere Art und mehr frei. Ich glaube, es ist auch zugänglicher für unser Publikum, als wenn dann richtig klassische Bewegungen vorkommen, wo man dann nein sagt oder ja sagt oder dass ich verliebt bin oder ich verspreche dir, da gibt es bestimmte Zeichen mit dem Finger und so und das ist nicht für jeden dann verständlich, da muss man dann vielleicht ein Buch schreiben oder halt einmal ins Buch reingucken, was das alles bedeutet.

Vera Kunze:

Ja, dankeschön, weil ich wusste das zum Beispiel tatsächlich gar nicht, dass es im klassischen Ballett diese spezifischen Bewegungen gibt. Ich glaube, dass halt klassisches Ballett geht, zu mir zumindest so, hat halt 'ne große Faszination beim Anschauen, weil alles halt sehr grazil und strukturiert wirkt, aber auch sehr leicht und deswegen ist jetzt spannend, das so zu hören von euch. Dann haben wir noch eine Frage, die ja, kannst du gerne auch noch was für dich besonders war?

Maya Mayzel:

Bei der Erarbeitung der Rolle ist für mich besonders, wie stark sich Giselle zwischen dem ersten und zweiten Akt verwandelt. Der erste Akt verlangt Leichtigkeit, Natürlichkeit und eine kindliche Reinheit, ohne naiv zu wirken. Während dem zweiten Akt braucht Giselle eine fast schwebende überirdische Qualität. Ihre Bewegungen werden feiner, ruhiger, klarer. Gleichzeitig trägt sie eine stille innere Frage in sich, soll ich ihm vergeben und mit ihm reden, obwohl er mein Herz gebrochen hat? Und gerade in diesem Moment zeigt sich die wahre Größe von Giselle. Sie handelt nicht aus Pflicht, sondern aus Mitgefühl, einem Mitgefühl, das stärker ist als Zorn oder Rache. In dieser Entscheidung liegt die tiefe Tragik und zugleich die Schönheit ihrer Figur. Sie bleibt menschlich, selbst als Geist. Und zudem ist die Rolle psychologisch anspruchsvoll, finde ich, denn Giselle zeigt Liebe, Wahnsinn, Vergebung, all das muss organisch entstehen und darf nicht gespielt wirken. Ist es eine Rolle, die man nicht einfach tanzt, sondern innerlich durchlebt.

Vera Kunze:

Ja, dankeschön für eure Antworten. Paul und mir ist tatsächlich noch eine Frage gekommen, die wir jetzt nicht aufgeschrieben haben, aber einfach weil uns das persönlich interessiert, weil wir kommen ja sehr vom eher Musiktheater, dann auch Schauspiel und deswegen haben wir uns gefragt, wie genau der Vorgang ist, eigentlich ein Ballett zu proben, ob ihr da so Szene für Szene durchgeht oder ja genau, wie das abläuft?

Paul Zerahn:

How would you say you train a Ballett in difference to like a theater play or maybe an opera or something like that?

Carmen Vázquez Marfil:

I'm going to be honest have never been part of an opera or, yeah, theater piece. What we do is we normally have an amount of time, an amount of weeks that we have to create the piece. In this case it was already created, so we just had to learn it. The only thing we had to or she wanted to, the choreographer, wanted to change a few things that she perhaps didn't like so much of the first version or she wanted to change because for whatever reason. So we take that time we learn the piece, we learn the music which is very important also and then we start. 

Because you have to build your stamina. So you start by remembering each scene. Eventually it becomes two scenes together, eventually becomes three scenes, then it's first act, then you go into second act and bit by bit you build the whole ballet. Then we had a few days if I'm not wrong, in the in a different room where we had the walls to practice with. And we also had the extras which are some students that came also to support the whole project. And we also had to spend some time learning the choreography of how to move the walls, which sounds very silly and sounds very, yeah, OK, you'll just have to move the wall from right to left is very confusing. And the walls had like numbers, they had different shapes, they you have to learn the whole thing and then you start to put it together. Clearly, you cannot rehearse everything together because we don't have the whole cast because the extras could only come at a certain time during the day. So then during the day, we may focus on different parts of the scenes or parts of the whole ballet that were more complicated or required more rehearsal time. And then with the extras, we need runs of the first and second acts. And eventually, we go to the Bühne. And once we are there it’s just, well piecing it together, first is placing it on stage and seeing the space and the wings how they are because it really changes a whole perspective when you enter for one from one wing in the front and if you enter from behind, you have to time everything and then you add on to it the light. And then you have to add onto it the orchestra, which is a whole different aspect which takes completely, I don't know, how long did it take week to weeks? Of rehearsals like intensive rehearsals because they have done their rehearsals and they know their timings and they know, their conductor knows, very well how he wants to play it, but we have a very different sense of the timing. So then we have to adapt each other and we have to be very patient with all of this. So and then finally when we are ready to perform. We've done two HP 1 so HP 1 and HP 2 Hauptprobe and then the Generalprobe also. Um And then yeah, you're a little bit exhausted, but definitely excited and finally goes um yeah out and the public can see it.

Maya Mayzel:

Ich glaube, es ist tatsächlich nicht so unterschiedlich, als Oper oder Schauspiel. Ich durfte tatsächlich schon bei der Operette mitmachen, auch bei den Salzburger Festspielen war ich auch dabei. Übrigens, es war lustig, weil es war damals, ich glaube, es ist jetzt locker 10 Jahre her und es war das erste Mal Ballett seit 100 Jahren wieder dabei bei den Salzburger Festspielen, weil es ist eigentlich nicht so vorgesehen und da durfte ich tatsächlich miterleben, wie beim Oper, Musiktheater praktisch, na wirklich Szene per Szene entsteht. Und ich glaube, wie als Ballett, da ist kein großer Unterschied, ist im Prinzip auch so gleich, liegt ich glaube auch je nachdem, wie der Choreograph oder Choreografin ist, arbeiten möchten, entweder Szene nach der Szene und dann geht es chronologisch oder man macht eine Szene und dann springt man zum Beispiel zum Finale und dann macht man das Finale und dann wieder zurück zum Anfang und so weiter. Ja, bei uns, wir haben tatsächlich im Ballett, ich finde ein ganz großes Glück, dass Glück und Unglück gleichzeitig ist, wir sind eine ganz kleine Compagnie, deswegen wir sind immer zusammen und es macht einiges einfacher, weil von Anfang an kriegst du diese chronologische Reihenfolge, geht da jetzt die Szene, dann sind meine Kollegen jetzt auf der Bühne, jetzt bei uns im Fall Giselle, dann wusstest du, ah ja, OK, das ist jetzt die Szene mit Albrecht, dann dann von der Geschichte passiert das und dass du wusstest, ungefähr in welche Richtung chronologische es geht und das macht es einfacher. Aber gleichzeitig, wir sind eine kleine Compagnie und da ist auch jedes gesehen und der Druck ist auch ziemlich groß, würde ich so sagen. Aber wie Carmen das erwähnt hat, es im Ballettsaal step by step würde ich sagen und dann dann geht man zur Bühne und auf der Bühne finde ich, ist es auch 'ne ganz interessante Sache für mich persönlich, wenn wir im Ballettsaal mehr an den technischen Sachen arbeiten oder in meinem Fall kann ich jetzt über mich reden, desto mehr wird es wirklich körperliche Anstrengung, dann sobald wir auf die Bühne kommen, versuche ich den ganzen Raum zu beobachten und zu sehen, OK, wie kann ich jetzt tatsächlich den Charakter und eine Geschichte entwickeln, weil es ist ein viel größerer Raum, da muss man auch viel mehr erwähnen. Das kostet auch immer wieder Kraft, wenn man nach der Szene, nach dem Solo, dann noch die ganze Bühne kreuzen muss. Und das musst du noch mitrechnen, dass es eigentlich noch Kraft kostet. Und dann kommt natürlich diese emotionale Seite und wenn man, wenn man das alles zusammensetzt, dann ist es eigentlich viel mehr Energieverbrauch als im Ballettsaal. Genau und wie Carmen auch schon wieder erwähnt hat, wenn Orchester auch dazu kommt, da würde ich sagen, sind wir komplett unterschiedlich zum Musiktheater, weil Musiktheater übt ja schon mit Konzertmeister. Da sind die Tempis von Anfang an angepasst, mehr oder weniger, wenn Orchester reinkommt, ist natürlich, muss er immer noch gepflegt werden bei uns. Wir arbeiten meistens mit einer Aufnahme und wenn Orchester kommt, passieren bei einigen Szenen ganz große Überraschungen, wo es entweder doppelt so schnell ist, wo wir eigentlich viel langsameres geprobt haben, oder andersrum, wo es so langsam ist, das ist für uns ist auch anstrengend. Das heißt, da muss wirklich eine gewisse Balance da stehen und es ist nicht immer einfach, weil Musik hat auch einen Charakter und nicht jede Choreografie ist für sagen wir so, original geschriebene Tempis gemacht, da muss auch angepasst werden an die Körper von Tänzern und Tänzerinnen an die Choreografie und da muss man ganz flexibel sein, wie von der Seite Ballett, auch von der Orchesterseite, würde ich sagen. Und ich glaube, das Ganze kommt richtig toll zusammen, wenn man schon Kostüme anhat und Make-up anhat und diese Aufregung vor der Premiere, du spürst, es ist schon bei der Generalprobe, ja, du bist nicht ohne Müdigkeit, du kommst zur Premiere schon erschöpft, weil es sind intensive Wochen vorher. Aber ich glaube, diese Aufregung von allen, gibt dir noch mehr Kraft und Energie und du siehst da, auf einmal entwickelt sich ein gesamtes Ballett mit einer richtig tollen Geschichte und die Geschichte kommt von jedem einzelnen, der auf der Bühne steht. Und das finde ich tatsächlich richtig schön. Und was mir am meisten Spaß macht, dann ja.

Carmen Vázquez Marfil:

And on to that, you have to add the fact that we have two casts to do the the whole thing because we are such a small group that if one gets injured or get sick or whatever, you have to be covered. And Maya is the first cast, I am the second cast. We have a change of cast at some point, then she will return to the role. So everything changes again and I have to do a different role and she has to do a different role. So it takes a lot of work and it takes a lot of yeah, mental work, I guess.

Vera Kunze:

Vielen, vielen Dank für eure Einblicke. Das war wirklich sehr spannend.

Paul Zerahn:

Yeah, thank you very much. And if you have some last words for the audience, go ahead now.

Maya Mayzel:

Ich würde sagen, unsere »Giselle« in Ulm zu sehen, ist empfehlenswert, auch für jüngere Generationen und allgemein für Menschen, weil es ist eigentlich die Geschichte, die vor hunderten Jahren geschrieben wurde, aber heutzutage immer noch eine Bedeutung mit sich trägt. Verliebtheit, gebrochene Herzen, wie gehe ich damit um? Da ist so eine Palette von Gefühlen und Farben und Emotionen, von Freundschaften, von Hass und Vergebung, dass das finde ich, findet man heutzutage immer noch an jeder Ecke, würde ich sagen, und jeder einzelne Mensch kann vielleicht eine Verbindung zu unserem Ballett finden und deswegen finde ich es schön, auch einmal an der tänzerischen Form ist anzusehen, wie es dir eigentlich vielleicht womöglich innerlich geht und das einmal zu reflektieren. Also es ist, wir würden uns freuen, wenn alle zu uns kommen und uns anzuschauen in 2 Besetzungen. Einmal Carmen, als »Giselle«, und dann einmal mich!

Carmen Vázquez Marfil:

Yeah, I was gonna say that, you get the chance to watch it twice with different casts, you should because it's a complete different feeling that we put into the character, one from Maya and one from me and the other people also. I think you as a dancer, as an artist, you put your experience and you put your your life really on to perform in this role and you take your your life as a reference. So what I have lived and what Maya has lived, you can see glimpses of it through this character. So I would recommend you to see it.

Vera Kunze:

Thank you and have a nice day.

Paul Zerahn:

Ich finde, wir sollten jetzt was essen, Vera.

Vera Kunze:

Ja, Paul, das können wir gerne machen und wir hören uns dann bestimmt bald wieder. Ich hoffe, es hat euch auch da draußen gut gefallen und ihr seid begeistert oder zumindest mal offen und interessiert, was jetzt noch von uns beiden und dem Haus hier kommt.